Shitstorm reloaded
Das Abendland geht also noch nicht unter, unsere deutsche Sprache erst recht nicht. Daraus zu folgern, hemmungslos alles Englische aufzusaugen, ist dennoch töricht.
In einem heute veröffentlichten Blogeintrag erklärt Paul-Josef Raue, Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen, warum es um unsere schöne deutsche Sprache doch noch nicht so schlimm bestellt ist, wie wir beim Erscheinen der 26. Auflage des Dudens befürchteten. Raue plädiert dafür, immer dann deutsche Wörter zu verwenden, wenn sie verständlicher und kürzer sind als ihre englischen Entsprechungen.
Ich sehe es ähnlich und bin dafür, der Verständlichkeit die Priorität vor der Kürze einzuräumen. Genauer gesagt: Wörter sollten nicht nur von den Lesern verstanden oder wenigstens als verständlich empfunden werden, sondern auch möglichst treffsicher.
Nun will ich damit keineswegs der Political Correctness (Verzeihung!) das Wort reden, wohl aber davor warnen, bestimmte Wörter fahrlässig zu gebrauchen. Eines dieser Wörter ist der Shitstorm, der nun auch in den Duden Eingang gefunden hat. Er ersetzt in der Sprache sozialer Netze die deutsche Welle der Empörung.
Genau das ist das Problem: Das Wort Shitstorm (deutsch: Scheißesturm) suggeriert, dass es sich bei den massiven Reaktionen, die eine Nachricht, eine Äußerung, ein Werbefilm und dergleichen mehr auslösen, um ungerechtfertigte, unreflektierte und unflätige Meinungsäußerungen handelt. Solche gibt es freilich, und nicht selten dominieren sie eine Debatte. Dass es die Debatte oder eben die Welle der Empörung gibt, liegt aber zuallererst in dem Ereignis, der Äußerung etc. selbst begründet, auf das sie sich bezieht.
Oft resultiert eine solche Welle der Empörung daraus, dass viele Menschen etwas falsch bzw. nicht so verstanden haben, wie es der Absender verstanden haben will. Das bekomme ich – wenn auch in wesentlich geringerem Umfang – manchmal bei meinen satirischen Kolumnen zu spüren, die unter der Rubrik “Was soll das?” im Wochenendmagazin der Sächsischen Zeitung erscheinen.
Indem wir solche Reaktionen Shitstorm nennen, sprechen wir den Empörten das Recht ab, empört zu sein. Schlimmer noch. Wir erklären sie für dumm. Eine solche Haltung gegenüber unseren (potenziellen) Lesern und damit Kunden zu zeigen, kann dem journalistischen Geschäft nicht dienlich sein.